“Das ist nicht der Anfang vom Ende, das wird ein langer Kampf” So reagierte die Präsidentin Brasiliens Dilma Rousseff auf die Forderung, sie zu belangen, die am vergangenen Sonntag ein neues Kapitel in der Abgeordnetenkammer erlebte. In einer Pressekonferenz am Montag sagte die Amtsinhaberin, sie sei „indigniert“ angesichts der Entscheidung, den Amtsenthebungsprozess, für den mehr als zwei Drittel der 513 Abgeordneten votierten, an den Senat weiterzuleiten Am Ende stimmten 367 Abgeordnete mit Ja, 137 mit Nein und 7 enthielten sich. Zwei Deputierte stimmten nicht ab.
Rousseff beharrte einmal mehr darauf, dass es sich um einen Putsch, verkleidet als legaler demokratischer Prozess, handle, um das zu entlarven, was sie als „Unrecht“ bezeichnet. „Ich werde nicht abstürzen. Die Sache wird mich nicht lähmen. Ich werde weiterkämpfen, so wie ich mein ganzes Leben lang gekämpft habe“, sagte sie
Die Abstimmung in der Abgeordnetenkammer ließ deutlich werden, in was für einen Zirkus sich eine Entscheidung von solcher Tragweite für Brasilien verwandelte. Viele Abgeordnete führten völlig persönliche Motive für die Einleitung des Impeachments an. Es zeigte sich, dass niemand seine Gründe für den Aufruf zum Verfahren klar benennen konnte.
Die Show begann am späten Nachmittag. Exaltiert, schreiend und einander anrempelnd gaben sie Motive an wie „für meinen Enkel Gabriel“, „für die Tante, die mich gehütet hat, als ich klein war“, „für meine Familie und mein Land“ und dergleichen mehr. Aufmerksamkeit erregte, wegen ihrer Ernsthaftigkeit, die Rechtfertigung des Kongressabgeordneten Jair Bolsonaro, zugunsten der Amtsenthebung zu stimmen: Er widmete sein Votum dem Oberst Brilhante Ustra, einem Folterer aus den Zeiten der Diktatur.
Nicht ein einziges Mal bezog sich jemand auf die angebliche „Steuer-Kosmetik“ (ein Delikt in der Handhabung öffentlicher Konten), deren man die Präsidentin beschuldigt. Ein juristischer Bericht, der zu dieser Diskussion im Kongress führte, wurde offenbar ad acta gelegt.
Von den 513 Deputierten, die während der Abstimmung zugegen waren, gibt es bei annähernd 150 Untersuchungen wegen Verdachtsmomenten, die von Geldwäsche über Korruption bis zu politischen Gefälligkeiten gehen. Die Website BBC Brasil präzisiert, dass es bei 48 von ihnen laufende Strafverfahren gibt, der prominenteste davon ist der Leiter der Abgeordnetenkammer Eduardo Cunha, einer der Hauptanstifter des Verfahrens gegen Rousseff.
Trotz der Bemühungen der Kongressabgeordneten, die sich gegen das Impeachment aussprechen, derer, die die Errungenschaften aus den Regierungsjahren der Arbeiterpartei verteidigen, setzte sich die Meinung jener durch, die ihren politischen Vorteil aus der jetzigen Situation schlagen wollen.
Jetzt liegt die Angelegenheit dem Senat vor, wo die Debatte am morgigen Mittwoch beginnen soll. Binnen zehn Tagen wird man einen Bericht vorlegen über die Zulässigkeit oder die Nichtzulässigkeit des Prozesses.
Für den Fall, dass es grünes Licht für die Eröffnung des politischen Verfahrens gibt, würde Rousseff für 180 Tage aus ihrem Amt entfernt und laut Verfassung würde der Vizepräsident des Landes Michel Temer, der sich inzwischen ebenfalls offen gegen die Präsidentin stellt, für diesen Zeitraum kommissarisch die Geschäfte übernehmen.