
Für zwei Länder, die seit mehr als einem halben Jahrhundert ohne offizielle Beziehungen waren, gestaltet es sich schwierig, Rezepte zu finden, wie man eine neue Beziehung aufbauen kann, ohne die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.
Aber seit die Präsidenten Kubas und der Vereinigten Staaten ihre Absicht verkündeten, ein neues Kapitel in der komplexen bilateralen Geschichte zu eröffnen, gibt es einen unumgänglichen Bezugspunkt, was den Weg angeht, dem es zu folgen gilt: Die Charta der Vereinten Nationen und das Völkerrecht und insbesondere die Wiener Konventionen über Diplomatische und Konsularische Beziehungen.
Der kubanische Präsident Raúl Castro Ruz nahm darauf in seiner Ansprache vom 17. Dezember Bezug und er bekräftigte dies in wichtigen Reden auf dem 3. Celac-Gipfel und dem 7. Amerikagipfel.
Das Thema war Teil der Gesprächsrunden, die die Diplomaten Kubas und der Vereinigten Staaten unterhielten, um die Details der Abschlussvereinbarung zur Wiederaufnahme der Beziehungen und der Eröffnung von Botschaften auszufeilen, die am Mittwoch bekannt gemacht wurde.
In den Briefen, die Obama und Raúl am 1. Juli austauschten, ist die Verpflichtung vorhanden, diese Prinzipien anzwenden, wenn einmal die kubanische Fahne wieder in Washington weht und die der Vereinigten Staaten in Havanna.
Die Charta der Vereinten Nationen ist das konstituierende Instrument der Organisation und sie legt die Rechte und Verpflichtungen der Mitgliedstaaten fest. Gleichzeitig etabliert sie Organe und Verfahrensweisen.
Die Charta wurde am 26. Juni 1945 nach Beendigung der UNO-Konferenz über das Völkerrecht in San Francisco unterschrieben und trat am 24. Oktober desselben Jahres in Kraft. Sie war das Ergebnis von vier Jahren intensiver Arbeit, bei der die Vermeidung neuer Kriege, die die Menscheit an den Rand ihrer Vernichtung bringen würden, im Blickpunkt stand.
Zu den Prinzipien und Vorsätzen, die sie begründet, gehören die souveräne Gleichheit, die Regelung der Kontroversen mit friedlichen Mitteln, der Verzicht auf jegliche Drohung und Gewaltanwendung gegen die territoriale Integrität oder die politische Unabhängigkeit eines jeden Staates und die Nichteinmischung in die Angelegenheiten interner Rechtsprechung.
Ebenso fördert sie freundschafliche Beziehungen zwischen den Nationen, die auf der Respektierung der Gleichberechtigung und der freien Selbstbestimmung der Völker begründet sind und die Achtung der Menschenrechte und die fundamentalen Freiheiten aller beinhalten.
Die Wiener Konvention über Diplomatische Beziehungen trat am 18. April 1961 in Kraft, während jene über die Konsularischen Beziehungen erst seit dem 24. April 1963 gültig ist.
Sowohl Kuba als auch die Vereinigten Staaten haben diese Dokumente unterschrieben, die innerhalb der UNO ausgearbeitet worden waren, um Praktiken zu regeln, die so alt sind wie die Menschheit.
Auch wenn die Konvention auf sehr konkreten Punkten basiert, legt sie doch gleichzeitig fest, dass die Normen des Völkergewohnheitsrechts weiterhin für die Fragen gelten, die nicht ausdrücklich geregelt worden sind.
„Das Völkergewohnheitsrecht ist nichts Anderes als die Praxis, die von Völkerrechtssubjekten verfolgt und allgemein von diesen als Recht akzeptiert wird“, erklärt der Professor der Universität von Havanna und Präsident des Kubanischen Gerichtshofs für Internationale Schiedsgerichtsbarkeit Rodolfo Dávalos der Granma.
Damit irgendeine Praxis als Recht anerkannt wird, ist es notwendig, dass die Wiederholung der Handlungen allgemein, einheitlich und wiederholt im Laufe der Zeit akzeptiert wird und auf einer Rechtsüberzeugung begründet ist, führte er weiter aus.
Anders ausgedrückt, keinerlei Praxis außerhalb des Rahmens der Funktionen der diplomatischen Vertretungen, wie sie in der Wiener Konvention festgelegt sind, kann rechtmäßig sein, es sei denn, sie ist durch das Völkergewohnheitsrecht gestützt und das schützt keine unrechtmäßigen Handlungen, die den Regeln des Empfängerstaats entgegenstehen.
Die diplomatischen Beziehungen zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten haben, besonders seit der US-Intervention im kubanischen Unabhängigkeitskrieg, in einer mehr als hundertjährigen Geschichte keine soliden Bezugspunkte, aber die Beachtung der Grundprinzipien des Verhaltens unter Nationen kann dazu beitragen, die Basis dafür zu legen, um auf diesem langen und komplizierten Weg der Normalisierung der Beziehungen voranzukommen.
Einige Artikel der Wiener Konvention über Diplomatische Beziehungen
Artikel 3
(1) Aufgabe einer diplomatischen Mission ist es unter anderem,
a) den Entsendestaat im Empfangsstaat zu vertreten,
b) die Interessen des Entsendestaats und seiner Angehörigen im Empfangsstaat innerhalb der völkerrechtlich zulässigen Grenzen zu schützen,
c) mit der Regierung des Empfangsstaats zu verhandeln,
d) sich mit allen rechtmäßigen Mitteln über Verhältnisse und Entwicklungen im Empfangsstaat zu unterrichten und darüber an die Regierung des Entsendestaats zu berichten,
e) freundschaftliche Beziehungen zwischen Entsendestaat und Empfangsstaat zu fördern und ihre wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen auszubauen.
Artikel 27
(3) Das diplomatische Kuriergepäck darf weder geöffnet noch zurückgehalten werden.
(4) Gepäckstücke, die das diplomatische Kuriergepäck bilden, müssen äußerlich sichtbar als solches gekennzeichnet sein; sie dürfen nur diplomatische Schriftstücke oder für den amtlichen Gebrauch bestimmte Gegenstände enthalten.
Artikel 41
(1) Alle Personen, die Vorrechte und Immunitäten genießen, sind unbeschadet derselben verpflichtet, die Gesetze und andere Rechtsvorschriften des Empfangsstaats zu beachten. Sie sind ferner verpflichtet, sich nicht in dessen innere Angelegenheiten einzumischen.
(2) Alle Amtsgeschäfte mit dem Empfangsstaat, mit deren Wahrnehmung der Entsendestaat die Mission beauftragt, sind mit dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten oder dem anderen in gegenseitigem Einvernehmen bestimmten Ministerium des Empfangsstaats zu führen oder über diese zu leiten.
(3) Die Räumlichkeiten der Mission dürfen nicht in einer Weise benutzt werden, die unvereinbar ist mit den Aufgaben der Mission, wie sie in diesem Übereinkommen, in anderen Regeln des allgemeinen Völkerrechts oder in besonderen, zwischen dem Entsendestaat und dem Empfangsstaat in Kraft befindlichen Übereinkünften niedergelegt sind.