
Einige Konzepte sind unerlässlich, um den neuen gesellschaftlichen Kontext zu verstehen, in dem wir leben und mit dem wir es wahrscheinlich auch in näherer Zukunft zu tun haben werden. In diesen Tagen reden wir viel vom Kultur-Kommunikations- und Medienkrieg. Aber was bedeuten diese Begriffe wirklich?
DIE KONTROLLE ÜBER DIE KÖPFE UND DIE HERZEN
Das Konzept des Kulturkriegs weist auf ein sehr breites und komplexes Phänomen hin, das nicht auf die kubanische Gesellschaft beschränkt ist. Es handelt sich dabei um eine globale Strategie der kapitalistischen Machtzentren, die auf die Produktion von entfremdeten, auf die Logik des Kapitals ausgerichteten Subjekten hinzielt.
Was bedeudet das? Die Menschen werden zu einem Denken und Fühlen veranlasst, das auf Individualismus, Leistungsgesellschaft, Konkurrenz, Konsum als Maßstab für Status und Wohlergehen, der Suche nach individuellen Lösungen für Krisen, unkritischen Positionen gegenüber dem Kapitalismus und auf Gleichgültigkeit gegenüber der prekären Situation in der der größte Teil der Weltbevölkerung lebt sowie gegenüber der Schädigung der natürlichen Umwelt basiert.
Diese Art, die Welt und den Platz, den sie darin einnimmt, zu sehen, wird als einleuchtend, natürlich und unausweichlich dargestellt. Jedes Kriterium, das sich mit sich mit dieser Perspektive nicht anfreunden kann oder sie in Frage stellt, wird bereits nicht nur mehr abgelehnt, weil es sich dabei um eine Kritik handelt, sondern weil sie einfach undenkbar ist.
Ich werde Ihnen dafür ein Beispiel geben. An einer ausländischen Universität, an der ich lehre, stellte ich in einem Kurs für Sozialpsychologie eine Aufgabe. Ich bat die Studenten, die zwischen 19 und 25 Jahre alt waren, mir Informationen über irgendein Thema des kulturellen und sozialen Lebens ihres Landes zu bringen, das ihr Interesse hervorruft. Sie konnten unter Themen aus dem Bereich, Kunst, Wissenschaft, Politik, Sport, Umwelt etc. auswählen. Zu meiner Überraschung brachten sie mir alle Werbematerialien zu bestimmten Produkten: Coca-Cola, Jeans Levy´s, Lancome, etc. Die Debatte drehte sich darum, welche Werbungen ihnen am interessantesten und am besten gelungen schienen.
Die Reduzierung der Interessenwelt der Personen auf den Bereich Werbung und Konsum in einer Lebensphase, die theoretisch gerade besonders durch die volle Entfaltung einer Sicht der Welt geprägt sein sollte, vor allem in einer Gesellschaft mit großem kulturellen Reichtum und einem komplexen sozialen Gefüge inmitten eines Ausbildungsprozesses im Bereich Sozialwissenschaften, macht deutlich, welche Wirkung die Mechanismen der kulturellen Beherrschung bei der Kontrolle des Spektrums menschlicher Wünsche und Motivationen haben. Das Lebensgefühl wird entpolitisiert und die Subjektivitäten passen sich der Dynamik des Marktes an, während unzählige grundlegende Fragen völlig außerhalb des für die Personen Sichtbaren bleiben.
Baudrillard weist auf etwas hin, das noch schlimmer ist. Der Mensch lebt in der Illusion frei zu sein, weil er wählt, weil er konsumiert, auch wenn diese Wahl völlig vorfabriziert, durch Erhebung produziert und dazu bestimmt ist, eine ganz bestimmte Funktion innerhalb des Systems der kapitalistischen Produktion und Akkumulation zu erfüllen.
Das ultimative Ziel des Kulturkriegs ist es, die Idee einzuflößen, dass es zum Kapitalismus, wie wir ihn kennen, keine bessere Alternative gibt. Dabei nehmen auf globaler und lokaler Ebene diverse Sozialisationsagenten eine Schlüsselrolle ein, wie z.B. die Bildungseinrichtungen, die Kultur- und Unterhaltungsindustrie, bestimmte Kirchen (wir dürfen nicht verallgemeinern) und alle jene sozialen Akteure, die die Aufgabe erfüllen, die Werte in die Gesellschaft einzubringen.
Innerhalb des Kulturkrieges ist der Kommunikationsbereich entscheidend und auch wenn er nicht auf die Medien reduziert ist, denn Kommunikation läuft über diverse Kanäle, wie die face to face Kommunikation beispielsweise, so spielen doch die Geräte, über die Medien vermittelt werden. eine Schlüsselrolle, die angesichts der Bedeutung, die die digitalen Medien und die sozialen Netze in der letzten Zeit gewonnen haben, ein immer größeres Gewicht bekommen haben. Aus diesem Grund sprechen wir von einem Krieg, der auch ein Krieg der Kommunikation ist und außerdem eine mediale Dimension hat.
Die digitalen Algorithmen, die die Menschen die ganze Zeit mit virtuellen Plattformen voller Werbung verbunden halten, damit deren Köpfe unentwegt damit beschäftigt sind, wie man was kaufen kann, sind von einer brutalen Effektivität. Wie Naomi Klein sagt, machen die Personen heute selbst von sich selbst Werbung, als ob sie eine Marke wären, an die Logik des Marktes angekoppelt und darauf reduziert.
Viel wichtiger als zu experimentieren, sich zu treffen, sich kennenzulernen und was miteinander zu unternehmen ist es, sich auf dem “Markt” der menschlichen Beziehungen auszustellen und diese auf Transaktionen wie von elektonischen Geräten gemessenen Likes zu reduzieren, und dabei das, was um einen herum geschieht, nicht mehr zu hinterfragen, so, als ob der Sinn des Lebens aus dieser Dynamik der Selbstvermarktung bestehe.
Wir müssen verstehen, dass dieses Kommunikationssystem, das als alternativer pädagogischer Weg funktioniert, in dem Maße, wie es, ohne eine Schule zu sein, bestimmte Motivationen und Werte formt, die den Interessen des Marktes und nicht der Projektion der Gesellschaft entsprechen, die wir aufbauen wollen, in den jüngeren Generationen in Kuba in dem Maße immer präsenter sein wird, in dem die Verbindung zum Internet zunimmt. Das ist ein Problem, das wir annehmen und kreativ lösen müssen.
SCHAUEN WIR UNS DIE MEINUNGSMATRIZEN GENAUER AN
Nun kann der Kommunikationskrieg Ziele haben, die spezifischer sind als die Internalisierung des Kapitalismuskults. Er wird auch dazu benutzt, um politische Systeme anzugreifen, die den Interessen der Zentren kapitalistischer Macht entgegenstehen. In diesem Fall schaffen sie Matrizen, um auf die eine oder andere Weise Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen, in den Lauf bestimmter politischer Prozesse einzugreifen, die den Interessen der Vereinigten Staaten oder anderer Mächte nicht genehm sind, um Regierungen abzusetzen, weiche Putsche durchzuführen...Beide Formen des Kulturkriegs ergänzen sich, und je mehr die Personen entfremdet sind, um so einfacher ist es, die Meinungen zu bestimmten politischen Themen zu manipulieren.
Eine Meinungsmatrix vertritt eine Teil der ideologisch geprägten Realität, die den Interessen einer bestimmten Machtgruppe entspricht und sie wird in der Absicht fabriziert, die Hegemonie zu erreichen oder beizubehalten und die öffentliche Meinung zu diesem Thema zu beherrschen. Die Meinungsmatrix versucht subjektiv günstige Bedingungen zu schaffen, um in die Prozesse einzugreifen oder sie zu steuern. Die besonderen Eigenschaften der Öffentlichkeit, an die sie gerichtet sind, werden dabei berücksichtigt.
Sehen wir uns ein Beispiel an. Die Meinunsmatrix mit der das nationale Medienszeanrio am stärksten bombardiert wird, ist die, mit der Verzweiflung und Ressentiments gegenüber der Revolution des Sozialismus erzeugt werden soll. Dies kann nicht ohne die Existenz der Blockade erfolgen, sie gehören strategisch zusammen. Die Blockade führt zum objektiven Zustand des Mangels und der Frustration, der dann noch über den Diskurs des Hasses und dem Verdruss am politischen System mit den unterschiedlichen Schattierungen verstärkt wird. Die Blockade bildet den Grundstock auf dem sich die Meinungsmatrizen gegen das System absetzen. Damit soll nicht gesagt werden, dass die Probleme, vor denen wir stehen, nicht auch endogene Ursachen haben, die Unzufriedenheit erzeugen, aus der Kapital geschlagen werden kann.
Was sagen die wichtigsten Meinungsmatrizen, die in unserer Realität aktiv sind? Der kubanische Sozialismus ist gescheitert, die Regierungsführung und die Institutionalität haben sich überholt (es gibt eine Krise der Regierbarkeit) und der kubanische Staat ist zusammengebrochen: In Kuba muss interveniert werden. Diese Meinungsmatrizen wollen die idealen subjektiven Bedingungen für einen Regime Change schaffen.
In den Inhalten verschiedener Medien mit konterrevolutionärer Agenda, die Kubas Wirtschaftskrise und ihre sozialen Auswirkungen analysieren, werden das Erbe der Unterentwicklung, die vor dem Januar 1959 existierte, die Existenz der Blockade sowie die erreichten Errungenschaften völlig ignoriert. Die endogenen Ursache der Probleme werden hyperbolisiert, die kubanische Gesellschaft wird unkritisch und ahistorisch mit anderen Gesellschaften gleichgesetzt, um liberale und staatsfeindliche Narrative und Kampfformen einführen zu können. Gleichzeitig wird die Kategorie des Klassenkampfes als grundlegende Orientierung, um die Zukunft der Nation zu denken, beseitigt, während gleichzeitig die Wege der Analyse und die Lösungsvorschläge für unsere Probleme entideologisiert werden.
EIN EPOCHENWECHSEL
Der Sieg aus diesem neuen Szenario wird in erster Linie aus den Verständnis erwachsne, dass die Epoche eine andere ist und dass die Mechanismen der Herrschaft, mit denen wir konftontiert sind, nicht die gleichen sind. Das virtuelle Gebiet hat seine eigene Dynamik und seine eigenen Funktionsgesetze. Es geht nicht darum, die gleichen Narrative jetzt in ein virtuelles Szenario zu übertragen. Es geht darum, die Arbeitsmethoden, die Formen des Widerstands und des Kampfes völlig umzuwandeln.
Trotz der Überlegung, dass wir den Kommunikationskrieg, den man uns aufzwingt, annehmen und darin siegen müssen, hat unser Land in dieser Hinsicht eine Stärke, die sich nicht auf virtuellem Gebiet befindet. Auch wenn dies zunächst paradox erscheint: Wir können unsere Organisationen und Institutionen wiederbeleben, um die Mechanismen für die Beteiligung und die politische Debatte an der Basis umzuwandeln. Wir müssen wirksame Räume für einen sinnvollen Dialog über unsere Realität, für das Zusammenleben inmitten der Umstände, die wir durchleben, für die Zusammenarbeit und die gemeinsame Suche nach Lösungen für die auftretenden Schwierigkeiten antreiben.
Die Politisierung der Analyse über die Zukunft Kubas wird einen Unterschied machen: eine größere Politisierung, weniger Manipulation der Subjektivitätendurch die Mittel, die in diesem Kulturkrieg verwendet werden.
Die Artikulierung einer Bildungs- und Kommunikationsstrategie in großem Maßstab, die in die Breite und die Tiefe geht, um unsere Perspektive und das Recht voranzutreiben, unter friedlichen Bedingungen, unseren eigenen kollektiven und souveränen Weg zu mehr Wohlstand, Demokratie und sozialer Gerechtigkeit zu gehen.