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Dilma Rousseff, zeitweilig für 180 Tage aus dem Präsidentenamt entfernt Photo: BBC

BRASILIA – Dilma Rousseff, temporär für 180 Tage aus dem Präsidentenamt entfernt, nachdem der Senat mit 55 Stimmen für das Impeachment gegen sie gestimmt hat, prangerte gestern an, dass sie das Opfer eines Putsches sei und rief die Bevölkerung auf, mobilisiert, vereint und friedlich zu bleiben im Kampf für die Demokratie.

„Ich habe viele Niederlagen und auch große Siege erlebt, aber nie hätte ich mir vorgestellt, dass es noch einmal nötig sein würde, sich gegen einen Staatsstreich zu wehren”, sagte die Präsidentin in einer Erklärung, die sie laut PL kurz nach Verlassen des Planalto-Palastes abgab.

Rousseff mahnte, dass der Kampf für die Demokratie permanent und ohne Abschlussdatum sei und ob man siegreich daraus hervorgehe, „wird an uns liegen“.

Sich auf die Anklage von gestern im Senat beziehend wiederholte sie, dass diese betrügerisch gewesen sei und einen wirklichen Putsch darstelle.

„Ich habe keinerlei Verbrechen der Verantwortlichkeit begangen. Ich habe nur das getan, wozu mich das Gesetz autorisiert. Es waren legale, korrekte und notwendige Handlungen“ bekundete Rousseff, bevor sie einmal mehr die Falschheit der Beschuldigungen demontierte, die ihr unterstellt wurden.

In gleicher Weise bekräftigte sie, dass es ein vollkommen unfairer und dementsprechend schmerzlicher Prozess gewesen sei. „Es gibt kein schlimmeres Unrecht, als einen Unschuldigen zu verurteilen. Das richtet irreparablen Schaden an“, sagte sie.

Man habe jetzt eine Regierung, die aus einem Staatsstreich heraus geboren worden sei, aus einer Art indirekter Wahl und ohne die erforderliche Legitimität, die Lösungen umzusetzen, die die enormen Herausforderungen, die Brasilien vor sich habe, verlangten.

“Das Ziel”, sagte sie, “hat mir viele und große Aufgaben gestellt, die ich zu bewältigen vorhabe, aber heute erleide ich zum wiederholten Mal den Schmerz des Unrechts als Opfer einer juristischen und politischen Farce“.

Nachdem sie die Erklärung beendet hatte, begab sich die Staatschefin in Begleitung des Expräsidenten Luiz Inácio Lula da Silva nach draußen, wo vor dem Planalto-Palast Tausende von Menschen versammelt waren, die ihr zujubelten und Blütenblätter zuwarfen.

In einer improvisierten Rede bekannte sie, dass dies für sie ein sehr trauriger Tag sei, dass aber all die Zuneigung und Unterstützung, die sie erfahren habe, ihre Traurigkeit vermindert und in einen Augenblick der Freude verwandelt hätten.

„Ich habe vielleicht Fehler begangen, aber keine Verbrechen”, versicherte sie.

Der Akt, der auf der Auffahrt zum Planalto-Palast stattfand, endete praktisch zur gleichen Zeit, als Interimspräsident Michel Temer die Namen seiner 22 Minister ankündigte. Es gibt keine Frau in der ersten Reihe seiner Regierung.

Nach der brasilianischen Verfassung beginnt jetzt, nachdem sie in beiden Kammern des Kongresses diskutiert worden ist, die Anklage als solche. Nun wird die Sonderkommission des Senats die Beschuldigung wie auch die Verteidigung anhören und Beweise sammeln – ohne eine festgesetzte Frist. Später wird es zu einer neuen Strafanzeige kommen. Das Urteil wird durch die Kommission gefällt und per Annahme durch die einfache Mehrheit des Senatsplenums bestätigt.

Die Abschlusssitzung des Verfahrens gegen Rousseff wird im Senat unter Leitung des Präsidenten des Obersten Gerichts durchgeführt. Zwei Drittel der Stimmen des Senats (54) sind nötig, um die Amtsinhaberin abzusetzen, unabhängig von der Zahl der Anwesenden.

Wird dies nicht erreicht, so wird die Staatschefin sofort wieder in ihre Funktionen eingesetzt. Wenn sich dagegen die Anklage durchsetzt, wird Rousseff bis Ende 2018 durch Temer ersetzt, gegen den das Oberste Gericht ebenfalls ein Impeachment beantragt hat.

Im Falle ihrer Verurteilung verliert die Präsidentin ihr Mandat und darf acht Jahre lang nicht mehr für das Amt kandidieren.

Unterstützung für Dilma und das Volk Brasiliens

Der Vorsitzende der Arbeiterpartei (PT) Rui Falcao sagte am gestrigen Donnerstag, dass „wieder mal in unserer Geschichte die Eliten das Votum des Volkes mit Füßen getreten und einer Unrechtsregierung den Weg bereitet haben“.

Die Nachrichtenagentur Prensa Latina berichtete, dass in mehreren lateinamerikanischen Ländern angesichts des im Gange befindlichen parlamentarischen Staatsstreichs die Stimmen der Solidarität mit der Präsidentin Rousseff und dem Volk dieser Nation anwüchsen.

Die venezolanische Regierung verurteilte diesen parlamentarischen Putsch, der die Demokratie in dem riesigen südamerikanischen Land in Frage stellt, kategorisch. Die erste Frau, die in Brasilien zur Präsidentin gewählt wurde, sei einem Ansturm jener ausgesetzt, die die Wahlen verloren hätten und nicht auf eine andere Weise, es sei denn mit Gewalt, die politische Macht wiedererlangen könnten, hieß es in einer Note des venezolanischen Außenministeriums.

In La Paz, Bolivien, versicherten Angehörige der regierenden Bewegung zum Sozialismus, dass die Anklage gegen die brasilianische Präsidentin die regionale Demokratie angreife indem der an den Wahlurnen manifestierte Volkswille durch eine korrupte und illegale von den Parlamentariern Brasiliens ausgeheckte Entscheidung missachtet werde.

Die Regierung Nicaraguas sandte eine solidarische Botschaft an die Präsidentin Brasiliens, in der Entrüstung und Ablehnung angesichts des Impeachment-Verfahrens gegen sie, das den Tatbestand eines Staatsstreichs erfülle, zum Ausdruck kommen. Unterzeichnet durch den Präsidenten Daniel Ortega und die Koordinatorin des Rats für Kommunikation und Staatsbürgerschaft Rosario Murillo, bezeichnet das Schreiben, das auch an den historischen Leiter der Arbeiterpartei Lula da Silva gerichtet ist, die Handlung des brasilianischen Senats als „unzumutbar und antidemokratisch“.

Die ecuadorianische Regierung von Präsident Rafael Correa versicherte Dilma Rousseff – „legitime Ausübende des vom Volk in den letzten demokratischen Wahlen erhaltenen Mandats“ – ihrer entschiedenen Unterstützung. Ebenfalls von Ecuador aus brachte der Generalsekretär der Union Südamerikanischer Staaten (Unasur) Ernesto Samper zum Ausdruck, dass die Entscheidung des brasilianischen Senats, Rousseff einem politischen Prozess zu unterziehen, die demokratische Regierbarkeit der ganzen Region kompromittiere.

Der Expräsident Uruguays José Mujica beklagte, dass es wahrscheinlich die Schwächsten seien, die die Folgen zu tragen hätten.