
Ohne perfekt zu sein, zeigte die kubanische Boxmannschaft im Viertelfinale der Weltmeisterschaften eine insgesamt große Leistung, als fünf ihrer sechs Mitglieder ins Halbfinale vorstießen in dem Event, der in Belgrad, Serbien, ausgetragen wird. Nachdem Lazaro Álvarez und Roniel Iglesias bereits frühzeitig ausgeschieden waren (Letzterer, seines Zeichens Olympiasieger von Tokio, nach einer unglücklichen Verletzung in der ersten Minute seines Kampfes), traf dieses Schicksal gestern Kevin Brown, der in einer Split Decision mit 2:3 verlor.
Das von Rolando Acebal geleitete Team hat nach wie vor gute Aussichten, die AIBA-Wertung nach Nationen zu gewinnen, wobei Kasachstan bisher das Land ist, das Kuba noch am ehesten den Gewinn der Mannschaftskrone streitig machen kann.
Als Erster zog Herich Ruiz (86 kg) ins Halbfinale ein. Gegen den Türken Burak Aksin gewann er einstimmig nach Punkten. Entgegen den Erwartungen ging der Kubaner gleich mit Volldampf zur Sache und ließ seine Fäuste ohne Unterlass in Form von Schwingern, Haken und Geraden auf Aksins Anatomie los. Der Türke verlegte sich bald darauf, seine Deckung zu schließen, wobei immer noch genügend Schläge des Boxers aus Pinar del Rio durchkamen.
Yoenlis Hernández (75 kg) musste sich nicht viel Mühe geben, um den Kroaten Gabrijel Veocic mit 5:0 zu besiegen (vier Runden klar, eine etwas enger) und somit das Semifinale zu erreichen. Der Camagüeyaner und sein Rivale aus dem Balkan lieferten sich ein langweiliges Duell mit wenigen Schlägen und viel Passivität. Trotz dieser Besonderheit des Kampfes traf Hernandez mit seinen punktgenauen Geraden besser und wurde selber kaum erwischt.
Ganz anders der Kampf in der 57-kg-Klasse zwischen Osvel Caballero und dem Mexikaner Miguel Vega, der von Gongsignal zu Gongsignal attraktiv war. Beide Kämpfer vergaßen ihre Verteidigung, konzentrierten sich in der kurzen Distanz ganz auf ihre Offensive, ohne um einen Waffenstillstand zu bitten, und kombinierten ihre krummen und geraden Schläge mit großer Effektivität.
Der Gewinner war schwer zu ermitteln, doch am Ende erklärten die Punktrichter den Boxer aus Mayabeque zum 5:0-Sieger – eine Klarheit, die insofern irreführend ist, als die einzelnen Durchgänge jeweils mit dem knappestmöglichen Ergebnis von 29:28 gewertet wurden. Jeder der beiden hätte gewinnen können. Was vielleicht für Caballero den Ausschlag gab, war eine gelungene Aktion seinerseits in der letzten Minute des Gefechts, als er ein Ausweichen mit einem harten Schlag ins Gesicht seines Gegners verband.
Andy Cruz (63,5 kg) aus Matanzas fand in dem Usbeken Nujibillo Turzunov einen starken Gegner, der ihn zwang, über Mittel- und Kurzdistanz zu arbeiten. Andy öffnete mit Haken und Schwingern die Verteidigung des Usbeken, worauf dieser immer wieder versuchte, ihn anzugreifen, mit unterschiedlichen Ergebnissen.
Aber Cruz wandte sein Box-ABC an, überließ Turzunov nicht den Löwenanteil des Kampfes und schaffte es immer wieder, beim Schlagabtausch ein paar Treffer mehr zu landen als sein Rivale. Der 3:2-Sieg des Kubaners, der am Ende noch unter Druck geriet, war verdient, auch wenn Andy Cruz in seinem nächsten Kampf offensiver auftreten muss.
Julio César La Cruz (92 kg) aus Camagüey sorgte für den Abschluss der kubanischen Siegesserie, indem er gegen den in Russland geborenen Serben Magomedov Sadam mit 5:0 gewann. Kubas beweglicher Schwergewichtler bearbeitete einen recht statischen Gegner mit Jabs auf Oberkörper und Gesicht. Der vierfache Weltmeister hatte das Geschehen jederzeit unter Kontrolle, kämpfte eher minimalistisch, doch mit jeder Runde wurde sein Sieg deutlicher.
Die einzige Niederlage kassierte Kevin Brown (67 kg), der dem Georgier Lasha Guruli mit 2:3 unterlag. Der Camagüeyaner entschied sich dafür, wieder aus der Distanz mit Finten zu boxen, um seinen Gegner zu neutralisieren. Allerdings war die Strategie nicht fruchtbar gegen einen erfahrenen Mann wie Guruli, der dem mit einer gewissen Passivität boxenden Brown für jeden erhaltenen Schlag zwei zurückgab.
Bemerkenswerterweise befinden sich unter den fünf fürs Halbfinale qualifizierten Kubanern lediglich zwei Arrivierte. Drei dagegen sind Weltmeisterschaftsneulinge.
Kommenden Donnerstag hat Osvel Caballero im Halbfinale eine schwere Aufgabe gegen Serik Temirzhanov aus Kasachstan vor sich. Andy Cruz wird auf den Thailänder Somchay Wongsuwan und Yoenlis Hernández in einem Außenseiterkampf auf den Italiener Salvatore Cavallaro treffen. Herich Ruiz muss gegen den in Kuba geborenen und hier ausgebildeten Aserbaidschaner Loren Alfonso antreten, während Julio Cesar la Cruz es mit dem bulligen Usbeken Madiyar Saydrakhimov zu tun haben wird.