OFFIZIELLES ORGAN DES ZENTRALKOMITEESDER KOMMUNISTISCHEN PARTEI KUBAS
Photo: Juvenal Balán

1. Die Regierung der Republik Kolumbien und die FARC-EP bekräftigen ihre Verpflichtung zu den bisher erreichten Vereinbarungen: „Auf dem Weg zu einem Neuen Ruralen Kolumbien. Integrale Landreform“, „Politische Partizipation: Demokratische Öffnung zum Aufbau des Friedens“ und „Lösung des Problems der illegalen Drogen“.

2. Gleichzeitig bekräftigen sie ihre Verpflichtung zu einer Justizformel, die die Rechte der Opfer berücksichtigt und zum Aufbau eines stabilen und dauerhaften Friedens beiträgt. Mit diesem Vorsatz schaffen wir ein Integrales System der Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiergutmachung und Nichtwiederholung. In diesem Rahmen sind wir übereingekommen, eine Kommission zur Klärung der Wahrheit, des Zusammenlebens und der Nichtwiederholung zu bilden, und es ist uns gelungen, wichtige Vereinbarungen hinsichtlich der Wiedergutmachung der Opfer zu treffen.

3. Was den Bereich der Justiz angeht, sind wir übereingekommen, eine Sondergerichtsbarkeit für den Frieden zu schaffen, die sich aus Gerichtssälen und einem Tribunal für den Frieden zusammensetzt. Die Gerichtssäle und das Tribunal setzen sich hauptsächlich aus kolumbianischen Richtern zusammen; aber auch eine geringe Zahl an ausländischen Richtern, die höchsten Anforderungen genügen, nehmen daran teil. Die wesentliche Funktion der Säle und des Tribunals für den Frieden besteht darin, der Straflosigkeit eine Ende zu setzen, die Wahrheit herauszufinden, zur Wiedergutmachung der Opfer beizutragen und den Verantwortlichen für schwere Verbrechen, die sie während des bewaffneten Konfliktes begangen haben, Sanktionen aufzuerlegen. Das gilt besonders für die schwerwiegenden und markanten Verbrechen, um so eine Wiederholung auszuschließen.

4. Die Justizkomponente sieht vor, dass der kolumbianische Staat bei Beendigung der Feindseligkeiten, in Übereinstimmung mit den internationalen Menschenrechten, die größtmögliche Amnestie für politische und damit zusammenhängende Delikte gewährt. Ein Amnestiegesetz wird dazu noch Genaueres festlegen.

5. In jedem Fall werden die Handlungen nicht von der Amnestie oder Begnadigung betroffen sein, die in der nationalen Gesetzgebung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Genozid und schwere Kriegsverbrechen definiert sind; dazu gehören schwere Straftaten wie Geiselnahme und andere Formen der Freiheitsberaubung, Folter, gewaltsame Umsiedlung, gewaltsames Verschwindenlassen, außergerichtliche Hinrichtungen und sexuelle Gewalt. Diese Verbrechen werden von der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden untersucht und abgeurteilt.

6. Die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden ist zuständig für alle, die auf direkte oder indirekte Weise am internen bewaffneten Konflikt beteiligt gewesen sind, auch die FARC-EP und die Staatsbediensteten, für Straftaten, die in diesem Zusammenhang innerhalb des Konflikts begangen wurden, besonders für die schwerwiegensten und markantesten Fälle.

7. Die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden sieht zwei Arten von Vorgehensweisen vor: Eine für diejenigen, die die Wahrheit und ihre Verantwortung anerkennen, und eine andere für diejenigen, die dies nicht oder mit Verzögerung tun. Erstgenannten wird eine Strafe auferlegt, die auf den zugegebenen Handlungen entspricht, nachdem diese mit den Untersuchungen der Generalstaatsanwaltschaft des Landes, den Sanktionen, die von anderen Staatsorganen auferlegt wurden, mit bestehenden Gerichtsentscheidungen sowie den Informationen, die von Organisationen der Opfer- und Menschenrechtsorganisationen abgegeben wurden, verglichen worden sind. Gegen die Zweitgenannten wird ein Widerspruchsklageverfahren vor Gericht durchgeführt.

8. Die Strafen, die vom Gericht verhängt werden, haben als wesentliches Ziel, die Rechte der Opfer zu berücksichtigen und den Frieden zu konsolidieren, und ihre Funktion sollte vor allem die der Behebung und Wiedergutmachung von Schäden sein. Für diejenigen, die Verantwortung für Vergehen übernehmen, die innerhalb des Systems liegen, wird die Strafe eine Komponente der Einschränkung der Freiheiten und Rechte enthalten, die die Erfüllung der Funktion der Behebung und Wiedergutmachung von Schäden garantiert, wie die Durchführung von Arbeiten, Werken und Tätigkeiten, und der Berücksichtigung der Rechte der Opfer dient. Die Strafen für diejenigen, die sich für schwere Verbrechen verantwortlich bekennen, werden eine Dauer von mindestens fünf Jahren und maximal acht Jahren wirksamer Freiheitsbeschränkung unter besonderen Bedingungen haben. Personen, die sich erst spät, vor dem Gericht, zu derartigen Verbrechen bekennen, werden mit Gefängnisstrafen zwischen fünf und acht Jahren unter normalen Bedingungen bestraft werden. Um für die alternative Strafe in Frage zu kommen, wird erforderlich sein, dass derjenige sich verpflichtet, während der Zeit des Freiheitsentzugs durch Arbeit, Ausbildung oder Studium zu seiner sozialen Rehabilitation beizutragen. Personen, die sich weigern, ihre Verantwortung für derartige Verbrechen anzuerkennen, und für schuldig befunden werden, werden zu Gefängnisstrafen unter gewöhnlichen Bedingungen bis zu 20 Jahren verurteilt werden.

9. Um in den Anspruch jeglicher Sonderbehandlung innerhalb der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden zu kommen, ist es notwendig, die volle Wahrheit zu sagen, die Opfer zu entschädigen und die Nichtwiederholung zu garantieren.

10. Im Fall der FARC –EP ist die Waffenabgabe, die spätestens 60 Tage nach der Unterzeichnung der Schlussvereinbarung beginnen sollte, Bedingung für die Teilnahme am integrierten System.

Die Transformation der FARC-EP in eine legale politische Bewegung ist ein gemeinsames Ziel, das über die volle Unterstützung der Regierung unter den Bedingungen, die vereinbart werden, verfügen wird.

Havanna, Kuba, 23. September 2015