OFFIZIELLES ORGAN DES ZENTRALKOMITEESDER KOMMUNISTISCHEN PARTEI KUBAS
Photo: Valiente, Jorge

„DENKT, DASS ICH EINER VON EUCH BIN“, sagte der Comandante en Jefe einmal zu den kubanischen Journalisten, und ein anderes Mal schrieb er, er fühle sich bei ihnen wie in Familie. Diese Ausdrucksweise bei jemandem, der sich sein ganzes Leben lang unbeirrt zur Wahrheit bekannte und die Demagogie zutiefst verabscheute, drückt ein ehrliches Empfinden aus, das wir bemessen können, wenn wir uns daran erinnern, dass die Kommunikation und die Presse stets untrennbarer Teil der politischen Praxis war, der sich Fidel Castro seit jungen Jahren widmete.

Diese Familie rund um den revolutionären Führer wuchs ausgehend von den ersten Genossen, die ihn in den Radio-Meetings und bei der Verteilung zehntausender an die Mitglieder der Orthodoxen Partei gerichteter Briefe unterstützten, in den investigativen und anklagenden Reportagen, die kubanische Printmedien großer Auflage wegen ihrer Wirkung veröffentlichten, später in seinen Erklärungen, die er beim Eintreffen im Biwak von Santiago de Cuba am 1. August 1953 abgab oder bei Nachdruck und Verteilung von „Die Geschichte wird mich freisprechen“.

Diese Familie wuchs weiter in Radio Rebelde in der Sierra Maestra, in der revolutionären Presse, die auf den Sieg vom Januar 1959 folgte. Noch im gleichen Jahr dehnte sie sich mit der „Operation Wahrheit“ auf andere Gebiete aus, bezog auch Kollegen ein, die im Fernsehen arbeiteten, und sie wurde immer stärker und zahlreicher, als sie mit dem Yankee-Imperialismus und den Medien-Unternehmen in Kuba konfrontiert wurde, die sich den Maßnahmen zum Nutzen des Volkes entgegenstellten, welche große Privilegien, alte soziale Ungerechtigkeiten und beschämende Abhängigkeit vom Ausland abschafften.

In transzendentalen Momenten der Geschichte des kubanischen revolutionären Prozesses jedoch war Granma das Szenarium, wo über Leitartikel, Artikel und Notizen zu bestimmten Ereignissen simultan die Orientierungen an die Leitungen der Massenorganisationen, die Einrichtungen des Staates und das Volk herausgegeben wurden.

Einen dieser Momente beschrieb Juan Marrero im Detail, denn er war Protagonist einer intensiven Mobilisierung in Kuba, die von dieser Zeitung aus von Fidel selbst geleitet wurde, um Solidarität mit dem Brudervolk Perus zu üben, das im Juni 1970 Opfer eines starken Erdbebens geworden war.

„Es wird Blut benötigt, um den Peruanern zu helfen“, betitelte Fidel einen der Leitartikel, die er schrieb, und in einem anderen informierte er zehn Tage danach über die 104.594 freiwilligen Blutspenden vonseiten der Kubaner. Andere außergewöhnliche Situationen machten es ebenfalls erforderlich, dass sich die politische Führung des Landes in die Zeitung Granma begab, wie zum Beispiel nach den Ereignissen, die durch die Provokation in der Peruanischen Botschaft in Havanna im Mai 1980 ausgelöst wurden und die Antworten, die mit den Märschen des kämpferischen Volkes und der Autorisierung der Emigration von Kubanern über die Bucht von Mariel erfolgten.

Viele Lektionen der Ethik, Geschichte, Politik und auch des Journalismus wurden der Granma-Familie vonseiten des Comandante en Jefe zuteil. Für mich erfolgte die vielleicht beeindruckendste von allen, aufgrund ihrer Dramatik und der Auswirkungen auf die gesamte Nation, in der die Festigkeit seines Charakters zutage tritt, als er auf einem Akt davon informierte, dass die Erfüllung der zehn Millionen Tonnen Zucker in der Zafra von 1970 nicht möglich war.

Um Mitternacht kam er in die Zeitung und schrieb mit roter Tinte und Großbuchstaben auf die Rückseite einer Agenturmeldung das Wort „Niederlage“. Das war sein Vorschlag für die Schlagzeile der nächsten Ausgabe. Die wir uns dort befanden, waren mit dieser Überschrift nicht einverstanden, denn allen war die ungeheure persönliche Anstrengung und die nationale Errungenschaft von Millionen Kubanern bekannt, die, obgleich sie das Ziel nicht erfüllten, eine nie dagewesene Zuckerproduktion im Land erreicht hatten.

Wir widersprachen mit verschiedenen Begründungen, er aber blieb fest. Sein beeindruckend ehrliches Hauptargument war, dass am Vortag, als die Befreiung der von einem Terrorkommando entführten Fischer erreicht worden war, die wichtigste kubanische Zeitung mit der fast eine halbe Seite einnehmenden Schlagzeile „SIEG“ herausgekommen war. Und er verließ die Redaktion, ohne dass es uns gelungen war, ihn zu überzeugen.

Im Morgengrauen jenes Maitages kam Fidel zurück und sagte: „Wir nehmen einen anderen Titel“. Das Deckblatt des 20.5. war sehr lehrreich, mutig und treffend. In ihm wurde mit Würde Selbstkritik geübt und zum Kampf aufgerufen: „Wir werden die zehn Millionen nicht erreichen“. „Wir haben ungeheuer dafür gearbeitet, wir haben das letzte Atom unserer Energie, unseres Denkens, unserer Gefühle darauf verwendet, und das einzige, das ich jedem Kubaner noch sagen muss, jenem, dem diese Nachricht zutiefst weh tut, ist, dass ebendieser Schmerz der Schmerz ist, den auch wir empfinden und der, den alle unsere Kameraden empfinden.“ „Mehr Tapferkeit und Mut als je zuvor!“ Und als Schlussfolgerung das Denken, das zukünftige Aktionen anführte: „Wir müssen die revolutionäre Standhaftigkeit haben, die Niederlage zu einem Sieg zu machen.“

Die Zeitung Granma bestand in jenen Jahren aus einem viel größeren Kollektiv als gegenwärtig, da damals auch Schriftsetzer, Drucker und jene dort arbeiteten, denen die Verteilung der Zeitung oblag. Nicht wenige Kollegen kannten Fidel noch von dessen ersten Besuchen in einigen wichtigen Printmedien her, sogar in der Druckerwerkstatt, wo der junge Revolutionär die Schriftgröße für die Titel seiner Arbeiten auswählte.

Noch Jahre später, als er bereits Staatsmann war, besuchte er weiter diesen wichtigen Bereich, den die gegenwärtigen Technologien verschwinden ließen, begrüßte seine alten Bekannten, sorgte sich um ihre Arbeitsbedingungen, ihre Verpflegung, und unterhielt sich lange mit ihnen wie mit alten Freunden. Ich erinnere mich an Silvio Rayón, den Verwalter, der von Alerta kam, einer Zeitung, die wichtige von Fidel geschriebene Arbeiten veröffentlicht hatte; und natürlich auch an die Journalisten, die zur Redaktion gehörten, wie Jorge Enrique Mendoza, Direktor der Zeitung, Ricardo Martínez und Orestes Valera.

Andere Zeugen jener Nächte und frühen Morgenstunden, die Redakteure, Fotografen, Karikaturisten, Korrektoren, Designer, Führungskräfte, Sekretärinnen, Archivangestellten, können von Episoden und Erinnerungen berichten, die bedeutende Momente ihres Lebens darstellen. Wir waren in Zeit und Raum mit einem außergewöhnlichen Menschen zusammengetroffen, dem Führer eines Volkes und einer der größten Revolutionen der Weltgeschichte, der 90 Jahre nach seiner Geburt seinen Prinzipien, Ideen und der beispielhaften Hingabe an die Arbeit zum Nutzen der anderen treu bleibt.